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Wie werden die Vaskulitiden behandelt?

Alle systemischen Vaskulitiden bedrohen die Organfunktion und häufig das Leben. Das einzige sofort wirksame Medikament ist Kortison und deshalb trotz aller unerwünschten Nebenwirkungen als Beginn der Behandlung unverzichtbar. Die Nebenwirkungen von Kortison sind weitgehend von der Dosis und Dauer der Kortisonbehandlung abhängig. Besonders die Infektgefährdung durch Schwächung des Abwehrsystems, Stoffwechselentgleisungen hinsichtlich Blutzucker und Fettsucht ("Vollmondgesicht" oder Cushing-Syndrom) und die Knochenerweichung durch mangelnden Einbau von Kalzium (Osteoporose) sind hier zu nennen. Gefährliche Nebenwirkungen treten überwiegend bei langzeitiger und hoher Dosis von Kortison auf. Unterhalb eines Grenzwertes (sog. Cushing-Schwelle), der der körpereigenen Kortisonproduktion entspricht, treten diese Nebenwirkungen selten und in weniger bedrohlicher Form auf.

Ziel der modernen Vaskulitis-Behandlung ist es, möglicht rasch von einer hohen Dosis Kortison herunterzukommen. Dies gelingt bei vielen Vaskulitiden nur durch gleichzeitige Gabe weiterer Medikamente. Alle Vaskulitiden kleiner Gefäße (typischerweise mit Nieren-, Lungen- und Nervenschädigung) müssen neben hochdosiert Kortison zusätzlich mit weiteren Medikamenten behandelt werden.

Seit den 70er Jahren haben sich hierzu Substanzen aus der Krebstherapie bewährt, welche meistens in erheblich niedriger Dosis als zur Krebsbekämpfung eingesetzt werden. Solche Substanzen heißen Zytostatika (=Substanzen, die die Zellteilung hemmen, z.B. Cyclophosphamid) oder Immunsuppressiva (=Substanzen, die das Abwehrsystem unterdrücken, z.B. Methotrexat [MTX], Azathioprin, Mycophenolatmofetil, Leflunomid). Seit den 90er Jahren gibt es neue Medikamente, die gezielt Botenstoffe der Entzündung abfangen und beseitigen (z.B. anti-TNF Therapie oder Anti IL6) oder gezielt diejenigen Abwehrzellen abtöten, die krankheitsverursachend sind (z.B. Rituximab [Mabthera®]). Es handelt sich um aufwendig angefertigte Eiweiße, weshalb die Substanzklasse "Biologika" oder "Biologics" genannt wird. Diese Medikamente sind selbst nicht zellteilungshemmend und gewebsschädigend und werden deshalb zumeist gut vertragen. Nicht zu unterschätzen sind jedoch die ausgeprägte Schwächung der Infektabwehr. Leider nicht zu vernachlässigen sind des weiteren die enormen Kosten der Behandlung. Bisher ist nur Rituximab zur Behandlung der AAV zugelassen. Eine weitere erfolgreiche Therapie bei einigen Vaskulitiden ist die Gabe von Antikörpern als Tropf (IVIG). Der Wirkmechanismus ist letztendlich nicht bekannt, angenommen wird ein Verdrängen der krankmachenden Antikörper durch normale Antikörper. Auch diese Behandlung ist extrem kostspielig.

In lebensbedrohlichen Situationen bei Vaskulitis mit Lungenblutung und Nierenversagen (pulmorenales Syndrom bei der Wegener'schen Erkrankung) können in einem Verfahren ähnlich der Blutwäsche (Dialyse) durch die Plasmaseparation krankmachende Antikörper dem Blut entzogen werden.

Zusammengefasst sollte man die systemische Vasculitis unverzüglich mit hochdosiert Kortison in Verbindung mit einem Zytostatikum/Immunsuppressivum bis zur Besserung der schweren Entzündung behandeln (Remissionsinduktion typischer Weise mit hochdosiert Kortison und Cyclophosphamid in möglichst kurzer Zeit: maximal 6 Monate oder Rituximab). Bei Lungenblutung mit Nierenversagen empfiehlt sich zusätzlich die Plasmaseparation. Bei ausbleibender Besserung unter der Kortison/Cyclophosphamid -Therapie können eventuell zusätzliche oder andere Medikamente wie etwa Biologika oder IvIg zum Einsatz kommen. Sobald die schwere Entzündung überwunden ist kann auf eine mildere remissionserhaltende Therapie mit niedrigdosiert Kortison und z.B. Azathioprin oder MTX umgestellt werden.. Da Vaskulitiden leider häufig wiederkehren (Rezidiv) und häufig eine geringgradige Entzündung verbleibt muß diese Therapie häufig über Jahre und eventuell lebenslang fortgesetzt werden. Wegen der Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten in der Langzeittherapie muß nicht selten auf andere Medikamente umgestellt werden.